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Alt 02.03.2007, 11:14
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Tick Tick ist offline
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Rita Schwarzelühr-Sutter (SPD): In dem Antrag der FDP-Fraktion, über den wir uns hier unterhalten wollen, fehlt mir der Hinweis darauf, wieso Städte und Kommunen Fahrverbote in Umweltzonen aussprechen. Es klingt in Ihrem Text so, als ob die Fahrverbote erteilt werden, um die Liebhaber historischer Fahrzeuge zu ärgern, den Wirtschaftsfaktor kaputtzumachen und die Oldtimer-Werkstätten in den Zentren der Städte in den Ruin zu treiben. Der eigentliche Hintergrund für die Fahrverbote ist die Erkenntnis, dass Schadstoffe in der Luft zu Atemwegserkrankungen führen und krebserregend sind.
Hierzu einige Fakten: Nach Untersuchungen der Weltgesundheitsbehörde wurde im Jahr 2000 durch Partikel die durchschnittliche Lebenszeit aller Europäer im Mittel um 8,6 Monate und in Deutschland sogar um 10,2 Monate verkürzt. Schon 1954/55 - also vor mehr als fünfzig Jahren - wurde die tumorbildende Wirkung von Dieselmotorabgasen auf Mäusehaut beschrieben. Tests in den 70er-Jahren und 80er-Jahren bestätigten den Verdacht, dass Dieselmotorabgas bei Ratten Lungentumore erzeugt.
In neueren Untersuchungen wurde ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Partikelexposition und Gesamtmortalität, Mortalität durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen und bei Lungenkrebs festgestellt. Kinder und Menschen über 65 Jahren reagieren auch auf niedrige Konzentrationen.
Im Zuge der Umsetzung der Aktions- und Luftreinhaltepläne sind ganzjährige Fahrverbote für Fahrzeuge mit veralteter Abgastechnik der Schadstoffgruppe 1 in Umweltzonen vorgesehen. Die FDP möchte für das Kulturgut Oldtimer eine generelle Ausnahmeregelung. Sie beklagt, dass die gesamte Wirtschaftsbranche Oldtimer und die spezialisierten Werkstätten vor dem Aus stehen.
Obwohl die Oldtimer am gesamten Pkw-Bestand nur einen Anteil von circa 0,44 Prozent haben, betragen ihre Anteile nach Berechnungen des Umweltbundesamtes an den gesamten Otto-Pkw-Schadstoffemissionen in Deutschland - trotz der geringeren Fahrleistung - circa 6 Prozent bei den Kohlenmonoxidemissionen circa 5 Prozent bei den Kohlenwasserstoffen und circa 3 Prozent bei den Stickoxidemissionen. Dies liegt an den hohen spezifischen Emissionen der alten Fahrzeuge. Im Vergleich zu einem modernen Euro-4-Otto-Pkw emittieren Oldtimer 35-mal höhere CO-, 60-mal höhere VOC- und 45-mal höhere NOx-Emissionen. Der Anteil an den Feinstaubemissionen kann nicht quantifiziert werden.
Auch wenn nicht der direkte Zusammenhang zum Feinstaubausstoß besteht, handelt es sich bei den Oldtimern um Dreckschleudern, die mit ihren Schadstoffen die Umwelt und die Gesundheit der Bevölkerung belasten. Dass allein in Deutschland pro Jahr 65 000 Menschen an den Folgen der Luftverschmutzung sterben und 30 Prozent der Kinder an Atemwegserkrankungen leiden, hat zu den Fahrverboten für Fahrzeuge mit veralteter Abgastechnik in Umweltzonen geführt. Dies sollte nicht vergessen werden.
Heute tritt die sogenannte Feinstaubverordnung in Kraft. Eigentlich handelt es sich dabei um die 35. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes.
In Deutschland gilt seit Beginn des Jahres 2005 eine EU-Richtlinie, die besagt, dass die Grenzwerte für Feinstaub "nur" an 35 Tagen im Jahr überschritten werden dürfen. Allerdings wurden diese Grenzwerte für Feinstaub in den vergangenen Jahren in allen deutschen Großstädten um ein Vielfaches überschritten. Die Verordnung soll die Kommunen nun in die Lage versetzen, Fahrzeuge mit zu hohem Schadstoffausstoß aus Umweltzonen in den Innenstädten zu verbannen.
Wie groß eine Umweltzone wird, definiert die jeweilige Kommune selber. In der Regel handelt es sich dabei um die Bereiche einer Stadt, die besonders stark mit Feinstaub belastet sind. Die Umweltzonen werden durch Schilder gekennzeichnet sein. Auf diesen Schildern kann man ersehen, welche Plakettenfarbe zur Weiterfahrt nötig ist. Stuttgart, München und Düsseldorf planen noch in diesem Jahr die Ausweisung einer Umweltzone. Ab 1. Januar 2008 will auch Berlin eine Umweltzone ausweisen. Diese wird dann die größte in Deutschland sein und 88 Quadratkilometer umfassen.
Ob und, wenn ja, welche Plakette ein Fahrzeug erhält, richtet sich nach der Schadstoffgruppe. Autos mit altem Diesel-Motor - Euro 1 und schlechter - und Benziner ohne Katalysator oder Kat-Fahrzeuge der ersten Generation fallen in die Schadstoffgruppe 1 und bekommen keine Plakette. Solche älteren Fahrzeuge wären also in Zukunft von Fahrverboten betroffen - es sei denn, sie werden mit einem Katalysator oder Rußfilter nachgerüstet.
Das Umweltbundesamt geht davon aus, dass viele alte Autos bald sowieso verschrottet werden, und spricht von 0,9 Millionen Diesel-Fahrzeugen und 2,3 Millionen Benzinern, die den Anforderungen nicht entsprechen werden.
Bisher sind von Fahrverboten in den Umweltzonen ausgenommen nur Mofas, Motorräder, die wenigen Trikes und Quads, Arbeitsmaschinen, Krankenwagen, Polizei- und Militärfahrzeuge sowie Fahrzeuge von Schwerbehinderten.
Eine Ausnahme für Oldtimer gibt es bisher nicht. Das Fahrverbot in der Umweltzone heißt im Übrigen nicht, dass Oldtimer gar nicht mehr fahren dürfen, sondern lediglich, dass diese in Zukunft auf die Sonntagsrunden um den Gendarmenmarkt verzichten oder diese einschränken müssen.
Die zuständigen Landesbehörden verfügen über Möglichkeiten, im eigenen Ermessen Ausnahmen vom Fahrverbot auszusprechen. Über mögliche Ausnahmeregelungen sollte vor Ort unter Berücksichtigung der vorhandenen Immissionsbelastungen entschieden werden, zumal die Belastungssituation nicht bundeseinheitlich ist. Das Land Berlin zum Beispiel überlegt, für Oldtimer ein Kilometerkontingent zu erteilen.
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