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Alt 02.03.2007, 11:14
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Auch die Bundesregierung hält zum jetzigen Zeitpunkt eine bundesweite Ausnahmeregelung von der Kennzeichnungsverordnung für Oldtimer für nicht erforderlich. Für die Förderung des Brauchtums und des Kulturgutes sind meiner Meinung nach jedoch keine generellen Ausnahmegenehmigungen nötig, sondern es reichen Spezialgenehmigungen zu besonderen Ereignissen, zum Beispiel Sternfahrten, Oldtimer-Ralleys oder Jahres- und Gedenktage.
Die vielen laut gewordenen Ansprüche auf Ausnahmen werden von den Ländern aufgegriffen und im Bundesrat neuerlich eingebracht. Eine einheitliche Anwendung der Ausnahmegenehmigungen durch die Bundesländer ist wünschenswert.
Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Wir beraten heute in erster Lesung einen Antrag meiner Fraktion, mit dem wir den Bundesgesetzgeber auffordern, generelle bundesweite Ausnahmeregelungen für Oldtimer von feinstaubbedingten Fahrverboten zu ermöglichen.
Hintergrund ist die vor einem Jahr beschlossene Kennzeichnungsverordnung, die heute in Kraft getreten ist. Sie sieht die bundeseinheitliche Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen mit Schadstoffplaketten nach der Höhe ihrer jeweiligen Schadstoffemissionen vor. Mit dem ebenfalls neu eingeführten Verkehrszeichen "Umweltzone" haben Städte und Kommunen die Möglichkeit, auf der Basis von Luftreinhalteplänen der Bundesländer Fahrverbote für Kraftfahrzeuge auszusprechen.
Weithin ist eine große Verunsicherung bei den Menschen darüber entstanden, welche Kommunen denn nun Umweltzonen einrichten werden und welche Fahrzeuge denn von Fahrverboten betroffen sein werden. Eine Fahrzeuggruppe, die beim Erlass von Fahrverboten ganz sicher betroffen sein wird sind historische Kraftfahrzeuge, die sogenannten Oldtimer.
Oldtimer sind Fahrzeuge, deren Erstzulassung vor 30 oder mehr Jahren erfolgte und die weitestgehend original erhalten sind. Mit dem guten Erhaltungszustand dieser Fahrzeuge dienen Oldtimer der Pflege des kraftfahrzeugtechnischen Kulturgutes in Deutschland. Eine Nachrüstung von Oldtimern mit Schadstofffiltern ist in vielen Fällen technisch nicht möglich und verbietet sich nicht zuletzt aufgrund der wünschenswerten Erhaltung des Originalzustands dieser Fahrzeuge.
Die Zahl dieser Fahrzeuge in Deutschland ist mit rund 150 000 als Oldtimer mit einem H-Kennzeichen zugelassenen Fahrzeugen überschaubar. Schätzungen zufolge dürften insgesamt weniger als 300 000 Fahrzeuge in Deutschland als Oldtimer gelten. Die überwiegende Zahl dieser Fahrzeuge ist mit Ottomotoren ausgerüstet, die im Gegensatz zu Dieselmotoren nur geringe oder überhaupt keine antriebsbedingten Feinstaubemissionen aufweisen. Die durchschnittliche Jahresfahrleistung von Oldtimern ist zudem gering. Obwohl die Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP von etwa 6 600 Kilometern pro Jahr und Fahrzeug spricht, liegt die tatsächliche Jahresfahrleistung von Oldtimern vermutlich bei weniger als der Hälfte dieser Zahl. Deshalb kann davon ausgegangen werden, dass ihr Anteil an den Feinstaubbelastungen insgesamt verschwindend niedrig sein dürfte. Ein generelles Fahrverbot für Oldtimer, das vielleicht durch einen Flickenteppich von kommunal unterschiedlichen Ausnahmen ausgehöhlt wird, ist unsinnig und wird das Feinstaubproblem in unseren Innenstädten sicher nicht lösen. Deshalb sollten Oldtimer durch eine entsprechende Ergänzung der Verordnung zur Kennzeichnung der Kraftfahrzeuge mit geringem Beitrag zur Schadstoffbelastung generell von Fahrverboten ausgenommen werden.
Bevor man nun die Hände über dem Kopf zusammenschlägt und sagt, bundesweite Ausnahmeregelungen für Oldtimer kommen auf gar keinen Fall infrage, bedenke man Folgendes: Das Auto wurde in Deutschland erfunden. Es ist Teil unserer Geschichte, Teil unseres historischen Kulturgutes, und bei allen Herausforderungen, denen wir uns heute gegenüber sehen, ist es auch Teil unserer Zukunft; denn auf absehbare Zeit ist es aus unserem Wirtschaftsleben nicht wegzudenken. Welches Signal senden wir in die Welt, wenn wir den historischen Charme von Oldtimern, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn sie durch die Stadt fahren, für immer aus unseren Innenstädten verbannen? Welches Signal senden wir, wenn wir diesen Teil unserer Geschichte für immer ins Museum verbannen?
Oldtimer waren bisher in Deutschland ein wachsender und sind damit ein zunehmend wichtiger Wirtschaftsfaktor. Allein in Deutschland lassen sich mehrere Milliarden Euro Umsatz jährlich den Bereichen Versicherungen, Fahrzeughandel, Reparatur und Restaurierung von Oldtimern zuordnen. Eine große Zahl von Messen, Oldtimervorführungen und -fahrten finden jedes Jahr statt und ziehen damit Hunderttausende Besucher an. Bereits die seit Monaten laufende Diskussion um Fahrverbote hat zu spürbaren Umsatzeinbußen in diesem Wirtschaftszweig geführt. In vielen deutschen Großstädten sind zahlreiche Handwerksbetriebe auf Oldtimer spezialisiert. Etliche Oldtimergaragen im Ruhrgebiet sind von der Schließung bedroht, in München und Stuttgart - so war vor wenigen Tagen in einer großen Zeitung zu lesen - haben Besitzer von Oldtimern bereits begonnen, ihre Fahrzeuge zu verkaufen. Und all das verantworten Koalitionsfraktionen in der irrigen Annahme, sie würde das Feinstaubproblem lösen, wenn sie Oldtimer aus unseren Innenstädten verbannen. Ich fordere, Fakten und Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen und nicht - wie schon viel zu oft geschehen - die Menschen zu gängeln und Wirtschaftszweige in der Annahme zugrunde zu richten, irgendein Problem damit zu lösen.
Lutz Heilmann (DIE LINKE): Heute ist die sogenannte Plakettenverordnung in Kraft getreten - die Sie von der FDP mit ihrem Antrag ändern wollen. Sie kommen mit Ihrem Antrag also reichlich spät, zumal diese Verordnung jahrelang zwischen Bund und Ländern diskutiert wurde. Dabei wurde eine Ausnahmegenehmigung für Oldtimer abgelehnt, weil diese auch im Vergleich zu den von Fahrverboten ausgenommen Motorrädern keine emissionsarmen Fahrzeuge sind.
Feinstaub ist eine der größten Umweltbelastungen, die direkt die Gesundheit von uns allen gefährdet. Wenn man also über Ausnahmegenehmigungen spricht, muss man auch immer die Zahl derjenigen Menschen betrachten, deren Belastung durch Fahrverbote zurückgehen würde. Der Berliner Senat geht davon aus, dass durch eine wirksame Reduktion der Feinstaubbelastung die Gesundheit von etwa 10 000 Menschen verbessert wird. Wenn nun alle von Fahrverboten Betroffenen großzügige Ausnahmegenehmigungen erhalten, dann wird es zu dieser Entlastung der Menschen nicht kommen. Deswegen muss man sorgfältig überlegen, wer von Fahrverboten befreit wird - und wer nicht.
Die Oldtimer stehen dabei für mich nicht an erster Stelle. Denn auch wenn es für die Besitzer von Oldtimern schade wäre, wenn sie nicht mehr am Brandenburger Tor vorbeifahren dürften, ist es doch etwas anderes, wenn Menschen nicht mehr zur Arbeit kommen oder wenn die Existenz von Kleinunternehmen bedroht ist, weil ihre Fahrzeuge nicht mehr in den Innenstädten fahren dürfen.
Deswegen unterstützen wir die Bestrebungen aus den Ländern, die Plakettenverordnung dahin gehend nachzubessern, dass Benziner mit geregelten Katalysatoren, die noch vor Inkrafttreten der EURO-1-Norm zugelassen wurden, dieser gleichgestellt werden. Mit der jetzigen Einstufung älterer Benziner mit G-Kat in die Schadstoffklasse 1 werden diejenigen bestraft, die einen Katalysator eingebaut haben, als der noch gar nicht vorgeschrieben war. Eine Ausnahme dieser Gruppe von Fahrzeugen würde auch die Debatten in den Kommunen entspannen, da es sich hierbei um etwa 4,5 Millionen potenziell betroffene Fahrzeuge handelt.
Zum Vergleich: Die Zahl der potenziell von Fahrverboten betroffenen Oldtimer mit einem H-Kennzeichen liegt deutschlandweit etwas über 150 000. Das zeigt wieder einmal, dass Sie von der FDP nur die Interessen Ihrer Klientel vertreten. Noch erstaunlicher aber finde ich, dass Sie die Bedenken der Wirtschaft nicht aufgegriffen haben. Denn auch wenn Oldtimer Werkstätten zu Aufträgen verhelfen, ist die Zahl der von Fahrverboten betroffenen Unternehmen deutlich größer. Gerade für Kleinunternehmer wie den Gemüsehändler an der Ecke kann es den Betrieb bedrohen, wenn er sein Fahrzeug nicht mehr nutzen kann. Zuallererst gilt hier wie für alle alten Dieselfahrzeuge, dass die Besitzer dazu aufgerufen werden, die vorhin vom Bundestag beschlossene steuerliche Förderung für eine Nachrüstung in Anspruch zu nehmen. Da diese aber deutlich zu niedrig ist, sollte betroffenen Kleinunternehmen, die innerhalb der nächsten Monate nachweislich keine Nachrüstung finanzieren können, eine befristete Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Noch besser wäre es allerdings, wenn es hier Förderprogramme oder Unterstützungsfonds gäbe, um die Umrüstung oder die Neuanschaffung emissionsarmer Fahrzeuge zu beschleunigen.
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