Hallo zusammen,
seit einiger Zeit schaue ich mich nach einem ordentlichen SC oder 3.2er für um ca. 30.000 Euro um. Vor allem wegen des tendenziell "günstigeren" Preises und des spritzigeren Motors favorisiere ich einen SC. Ich habe bereits Zeitschriften und einschlägige Literatur studiert und das Thema mit einigen nicht ganz unkundigen Bekannten erörtert, habe also auf dem Gebiet ein nicht ganz zu vernachlässigendes theoretisches Wissen. Jetzt stecke ich etwas in der Zwickmühle. Das Thema ist nicht ganz kurz zu erläutern, aber ich versuche es zusammenzufassen:
Nach acht oder neun Fahrzeugbesichtigungen von deutschen und europäischen Autos, einige davon mit Probefahrt und letztlich negativem Ergebnis (fast immer Rost, zwielichtige Karosseriearbeiten, verschwiegene Vorschäden etc.) habe ich nun ein Auto gefunden, das mir vom ersten und zweiten Eindruck sehr gut gefällt. Ich habe den Verkäufer (einen Händler, der gerade damit anfängt, sein Hobby zum Beruf zu machen) sofort kontaktiert und am folgenden Tag besucht. Hier zunächst die Eckdaten:
911 SC Modelljahr 1981, US-Modell mit Schiebedach, aus dem Raum Los Angeles
Indischroter Erstlack am ganzen Fahrzeug (!) - laut Schichtdickenmesser rundum 130-150 mü, maximal (auf dem Windlauf vor der Scheibe, liegende Fläche) 187 mü. Kein Rost, auch an sämtlichen neuralgischen Stellen nicht (Schweller, Schlossblech, Windschutzscheibenunterkante...). Die Scheinwerfer und Rückleuchten sind vom Verkäufer schon mit Neuteilen auf EU umgerüstet, Standlichtbirnen angeschlossen. Stoßhörner hinten und schwarze Blenden vorne sind noch original US-Ausführung.
Innen Leder schwarz, sehr gut erhalten, Armaturenbrett ohne Risse, ganz leichte Wellen. Die Sitze sehen top aus. CD-Radio und Wechsler in den 90ern nachgerüstet, kann man ja wieder ausbauen und gegen ein zeitgenössisches Radio tauschen.
Tachostand 56.500 mls - 91.000 km (dazu später mehr...)
Der Händler sagte, er kann mir schriftlich bestätigen, dass das Auto unfallfrei ist.
Bei der Probefahrt benahmen sich Motor, Getriebe und Kupplung unauffällig. Der Motor sprang sofort an, war stabil im Leerlauf, drehte sauber hoch, die Kupplung kommt nicht erst auf den letzten Zentimetern. Ich hatte noch kein besseres 915er Getriebe geschaltet. Das Fahrwerk (grüne Federbeine, also Bilstein) fühlte sich etwas schwammig an. Dort vermute ich Handlungsbedarf. Die Elektrik funktionierte (Schiebedach, Fensterheber, Spiegel, Licht). Nur der Öldruckmesser funktionierte nicht. (Der Verkäufer versprach die Reparatur, was auch gemacht wurde.) FIN und Motornummer passen in Art und Baujahr zusammen.
Ein Scheckheft ist nicht vorhanden. Ich bin die vorhandenen Papiere und Rechnungen sorgfältig durchgegangen. Das Fahrzeug hat 1998 mit nur 24.000 mls in LA den Besitzer gewechselt, seitdem sind einige Dokumente vorhanden. Der neue Besitzer (geboren 1938) hat das Auto unter anderem bei "Beauty Contests" vorgeführt und erhielt laut Urkunde gute Bewertungen und einen Kritikpunkt: "Staub in der Tankklappe" Für mich deutet das auf einen sehr peniblen Umgang mit dem Auto hin. Auch Ölwechsel und kleinere Reparaturen sind dokumentiert, als auch die kalifornischen Abgasemissions-Prüfungen. Die Fahrleistungen seit 1998 sind ziemlich gleichmäßig auf die Jahre bis 2011 verteilt, als der Besitzer starb. Das Auto ging an seinen Sohn, der es kaum fuhr und letzten Herbst auf Craigslist zum Verkauf anbot.
Der Händler gibt dem 11er noch eine große Inspektion bei einer renommierten freien Porschewerkstatt mit. Dazu kommen TÜV und H-Gutachten und ein frischer Satz Reifen. (Diese Punkte sind inzwischen gemacht worden.) Als Händler muss er mir natürlich eine Gewährleistung geben. Der Preis lag bei 30.900 Euro.
Ich habe eine Nacht darüber geschlafen, am nächsten Tag zugesagt und eine Anzahlung überwiesen. Der Händler hat dann den Termin für den Service gemacht. Das war vor knapp 2 Wochen. Soweit alles gut.
Dann gestern der Schock: Der Händler (meiner Einschätzung nach noch etwas unerfahren, aber sehr korrekt und entgegenkommend) leitete mir per Mail unbesehen den versprochenen Carfax-Report weiter. Er hatte also anscheinend blindes Vertrauen in das Auto! Im Report stand bei April 1994 als Eintrag ein TOTAL LOSS (laut Def. "Wirtschaftlicher Schaden, der 75% des Fahrzeugwerts übersteigt") bei 73.000 mls verzeichnet! Von da an waren als folgende Einträge die regelmäßigen Emission Checks vermerkt, wobei die Laufleistung ab Mitte 1994 wieder bei 1100 mls ("Mileage Inconsistency") angegeben war, sie stieg auf 24.000 im Jahr 1998, zu etwa 55.000 vor einem Jahr. Ich war natürlich erstmal sprachlos. Der Händler übrigens auch, damit hatte er anscheinend nicht gerechnet.
Ich habe dann die einzige Lösung gefunden, die wirklich Licht ins Dunkel bringen kann: Ich habe den Besitzer von 1984 bis 1998 (ein Arzt) "gegoogelt" und in seiner Praxis in Los Angeles angerufen. Leider hat er eine Sekretärin, die mich schnellstmöglich wieder abwimmeln wollte. Nachdem ich höflich meine Frage hervorgebracht hatte, ob er je einen Porsche hatte und ob der damals einen Schaden hatte, da ich das Auto kaufen möchte, fragte sie immerhin im Hintergrund nach und kam mit folgender Antwort zurück: Sei der Porsche rot? Ja, das war seiner, er hätte nie einen Unfall gehabt, das Auto hätte nur einmal stark aus dem Armaturenbrett gequalmt und musste repariert werden. Ich solle das Auto ruhig kaufen! Leider konnte ich keine weiteren Fragen dazu stellen, sie hat mich dann abgewimmelt, ihr Chef habe keine Zeit mehr.
Also wahrscheinlich ein Kabelbrand. Für einen Porsche in Kalifornien, der damals 13 Jahre und 73.000 Meilen alt ist, kann ein solcher Fall vielleicht ein wirtschaftlicher Totalschaden gewesen sein. Zumindest würde das den zurückgestellten Tacho mit dem Austausch des verschmorten Dashboards erklären. Die Gesamtlaufleistung beträgt also dem Carfax nach 73.000 + 56.000 = 129.000 mls = 209.000 km. Puh!
Ich habe dann lange mit den Mechanikern telefoniert, die dem Porsche gestern den großen Service verpasst haben. Die Jungs können an der Karosserie genau wie ich keine Reparaturen und Nachbesserungen finden, haben aber die Vermutung, dass die 209.000 km realistisch sein könnten. 56.000 Meilen seien es wohl eher nicht. Aber der Motor sei "knochentrocken", laufe super und sei wohl schon mal einer größeren Wartung unterzogen worden. Dafür sprechen nicht zuletzt die nachgerüsteten hydraulischen Kettenspanner und ausgetauschte Ölrücklaufrohre. Das Getriebe hat einen ganz leichten Ölverlust, das sei aber nicht akut und unkritisch. Die Laufleistung mache sich eher am Fahrwerk bemerkbar, wo die Stoßdämpfer demnächst erneuert werden sollten. Insgesamt haben sie mir eine Empfehlung ausgesprochen, das Auto trotzdem zu kaufen, ein 11er mit einer so guten Substanz sei selten.
Der Händler hat fair reagiert, nachdem er den Schock verdaut hatte, und mir angeboten, meine Anzahlung zurückzuzahlen. Den Preis senken könne er aber trotz der wahrscheinlich doppelt so hohen Laufleistung nicht. Er habe ca. 3.000 Euro in die Umrüstung, die Wartung und den TÜV investiert. Das Auto könne er zu dem Preis auf jeden Fall verkaufen.
Ich tendiere nach wie vor dazu, das Auto zu kaufen, und Dinge wie Stoßdämpfer etc. Stück für Stück anzugehen. Die Substanz stimmt meiner Meinung nach aber.
Was sagen die erfahrenen Porschefahrer dazu, würdet Ihr eher abraten oder sollte ich dranbleiben?
Gibt es überhaupt jemanden, der bis hier gelesen hat und nicht eingeschlafen ist? Entschuldigt den Roman!