Kennt ihr den Oldtimervirus? In der einfachen Form ist es ein 911er Bj.73 und älter, schlimmer noch ein 356er und am schlimmsten der MM-Virus aktive Teilnahme (Millie Miglia). Der hat mich befallen. Alle die mich bei der letzten MM 2003 erlebt haben konnten sich davon überzeugen. Meine bessere Hälfte, Carmen und ich fuhren spontan in der Dämmerung die letzten 100KM der MM mit unserem 964er zwischen all den automobilen Kostbarkeiten mit und hatten einen Riesen Spass. Die Polizei dirigierte uns bei rot über die Kreuzungen, escortierte uns entgegen der Fahrtrichtung durch Einbahnstrassen vorbei an tausenden, begeisterten Zuschauern. Wir hatten eine absolute Hochstimmung ein Gefühl der grenzenlosen Freiheit. Ja, bei dieser Gelegenheit habe ich mich infiziert und eine Heilung ist nicht in Sicht. Schlicht und einfach ich muß mir diesen Traum erfüllen.
Aber wie?
Herr Lang, Chronoswiss-Chef und erfahrener Oldtimerfahrer wurde sechs mal abgelehnt und das siebte mal auf Empfehlung des Sponsors Chopard 2003 zugelassen. Grund für die Absage war der schlechte MM-Koeffizient (1,05) für seinen Jaguar.SSK120. Bei der MM dürfen nur die Teilnehmer-Fahrzeuge oder -Modelle der Rennen bis 1955 starten. Diese Modelle haben unterschiedliche Koeffizienten. Also gilt es einen erschwinglichen Wagen zu finden mit einem Top MM-Koeffizienten der praktisch nie abgelehnt wird und der sich einigermassen flott mit Spaß bewegen lässt. Diesem Ziel bin ich ein Stück nähergekommen. Aber nun schön der Reihe nach:
Carmen und ich waren am Nürburgring zum 31. AVD-Oldtimer-Grandprix. Wir sind bereits Donnerstag angereist um die herrlichen Oldtimer im Fahrerlager in aller Ruhe zu geniessen.
Auffallend war ein etwas älterer Fahrer mit einem noch älteren Fahrzeug aus England. Bei näherem hinsehen war es ein Invicta S-Type mein Traumwagen (Top MM-Koeffizient). Bei tropischer Hitze kam er stilecht im offenen Wagen mit Rennfahrerbrille und Lederkappe gerade an. Der Kopf war hochrot und man sah ihm an dass er nach was kühlem lechzte. Wir reichten ihm aus unserer Kühltasche eine große Flasche Mineralwasser die er in kleinen Zügen bedächtig leerte. Aus dieser zufälligen Begegnung hat sich zwischen dem Fahrer Bob und uns eine sehr interessante Bekanntschaft mit Perspektiven entwickelt.
Bob kommt seit über 40 Jahre mit dem gleichen Fahrzeug an den Nürburgring und fährt den AVD-Oldtimer-Grandprix mit großem Erfolg zum 31.mal. In seiner Klasse ist er wohl einer der Besten und wie die Medien berichten einer der letzten Gentleman-Fahrer. Die An- und Rückfahrt ist wie immer ohne Trailer. Ab Buckinghamshire (90 KM westlich London) bis Dover, Fähre über den Kanal bis Callais und dann flotter Fahrt zum Nürburgring (ca. 850KM Fahrstrecke). Auch dieses Jahr hat Bob und sein Invicta-S-Type Bj.1930 trotz tropischer Temperaturen die Strecke problemlos bewältigt.
Am Freitag vor dem Training hat Bob uns spontan eine Runde mit seinem Oldtimer auf der Nordschleife angeboten. Ich habe Carmen den Platz freiwillig überlassen. Mit ihrem zarten Körper (50KG) entspricht sie der Jokey-Gewichtsklasse von Bob und passt einfach besser in die engen Sitze des Wagens. Bob und meine bessere Hälfte brausten mit Sturzhelm und Brille zur Nordschleife. Auf dem weg dorthin hat er eifrig überholt. Kommentar: Das langsame fahren ist für meinen Motor nicht gut ;-) .
Im Kesselchen am Fahrerlager traf ich sie nach ca. 1 Stunde wieder. Beim aussteigen verbrennt sich Carmen das Bein an den glühendheißen Auspuffrohren die den Wagen an der Seite ziehren, Bob’s Warnung kam zu spät. Von der Fahrt, dem Wagen und Bob’s Fahrkünsten war Carmen hellauf begeistert. Bob hat den Wagen routiniert mit sägenden, minimalen Lenkbewegungen und eifrigem Schalten mit Zwischengas mit viel Drift auf idealer Linie durch die Nordschleife dirigiert, so wie er es die letzten 40 Jahre macht. Er ist ein Könner und absoluter Fan der Nordschleife und fährt sie immer wenn er am Nürburgring ist. Er bedauert dass die Nordschleife beim AVD-Oldtimer-Grandprix nicht mehr gefahren wird.
Nach dem Training beim Umtrunk im Kesselchen haben wir uns gut unterhalten und festgestellt dass wir beide in etwa im gleichen Alter sind, gemeinsame Bekannte in England haben kurzum die Chemie hat gestimmt und der eine war am anderen interessiert. Dabei haben wir uns offenbart und festgestellt noch einen gemeinsamen unerfüllten Lebenstraum zu haben „die aktive Teilnahme an der Mille Miglia“. Auf die Frage an Bob warum er sich seinen Traum noch nicht erfüllt hat sagte er –ich fahre nur Rennen bei denen ich an einem Tag anfahren kann-. Spontan wie sie ist sagt Carmen: Bob fahr am 1.Tag Stuttgart an, sei unser Gast für einige Tage und anschließend fahren wir an 1 Tag nach Brescia. Rudi macht den Beifahrer bei dir auf der MM 2004, auf diese weise lassen sich euer beider Träume erfüllen. Bob war von dieser Spontanität überrascht und bat sich Bedenkzeit aus. Aus dem Gespräch ergab sich eine weitere Alternative. Bob besitzt einen 2.Wagen aus der gleichen Baureihe und würde ihn mir zu erschwinglichem Preis (meine 2 Porschis) verkaufen allerdings mit der Bedingung dass ich bei ihm Fahrunterricht nehme. Irgendwie fühlt er sich für mein wohlergehen verantwortlich, da der Wagen für einen Normalfahrer kaum fahrbar und im Grenzbereich auch für den routinierten Rennfahrer gefährlich ist ( siehe Story Invicta-S-Type Bj.1930 ) Ich hoffe dass mir meine Fahrpraxis mit VW-Brezelfenster mit nicht synchronisiertem Getriebe zu Hilfe kommt im übrigen schalte ich auch meine 911er mit Zwischengas. Um aktiv an der MM 2004 mitzuwirken sehe ich folgende Alternativen:
Alternative 1: Bob nimmt mich als Beifahrer
Das bedeutet 20KG abnehmen damit ich in die Filigran-Beifahrersitze von Bob’s Rennwagen passe. Navigator-Training (Bedienung 3 Stoppuhren gleichzeitig, perfekte Kommunikation –ist nicht so einfach zwischen einem Schwaben und Engländer-, Lesen und verstehen des Roadbooks, und, und und ...). Keine einfache Aufgabe wenn man, was ich Bob unterstelle, mindestens unter die ersten 100 kommen will. Den größten Vorteil sehe ich im 20KG abnehmen, den größten Nachteil beim wohl fälligen Verzicht auf’s Weißbier. Ist es das Wert?
Alternative 2: Ich kaufe Bob’s Zweitwagen und nehme Fahrunterricht
Im eigenen Wagen passe ich natürlich die Sitze meinem Körper an und das Weißbier bleibt. Das ist wahrscheinlich der einzige Vorteil. Am besten ich lerne bei Bob wie man diesen Wagen artgerecht, sicher und materialschonend bewegt. Wobei ich das schnelle Fahren, vor allen Dingen bei Nässe, besser den routinierten Rennfahrern überlasse. Auch die besten Rennfahrer haben mit diesem 4,4 Tonnen! Geschoß, Sieger der Ralley Monte Carlo 1931, schon Überschläge fabriziert. Was solls, wenn wir bei der MM von einem Mercedes 180D ausgebremst werden. Die darauf erfolgenden Pfiffe der Zuschauer werden wir wegstecken und durch den gnadenlosen Sound der 4,5 Litermaschine übertönen. Am liebsten wäre mir ein Beifahrer der so denkt wie ich und das Ganze mit der olympischen Idee angeht. Ich glaube dass meine Frau als Beifahrerin/Navigatorin ausscheidet nachdem sie die Fahrkünste des Meisters in der Nordschleife erlebt hat, mich wahrscheinlich daran misst und sich nicht nocheinmal das Bein verbrennen will. Um einen Ehekrach zu vermeiden suche ich wohl besser einen Beifahrer/Navigator der furchtlos und kritiklos wie ich ist und irgendwann das roadbook auf die Seite legt und nur noch Bella Italia und Bella Machina genießt. Also Mädels und Jungs jetzt wisst ihr wenn unter Rubrik „Biete“ meine beiden 911er stehen dass ich hier zugeschlagen habe.
Also fast hätt ichs vergessen ...
Beim Rennen 5 (1.Lauf Samstag / 2.Lauf Sonntag) erreicht Bob trotz Dreher mit Ausflug in den Sand in der Mercedes Area in seiner Klasse wie so oft den 1.Platz. Ich glaube er war der einzige seiner Klasse ohne Boxenstop. Kein Wunder , sein Wagen ist lange Strecken gewöhnt. Am meisten imponiert hat mir sein Le Mans-Start. Die Veranstalter hatten diesen älteren Herrn wohl zur Sicherheit auf den letzten Platz gestellt. Aber Bob mit jahrzehntelanger Le Mans-Erfahrung hat diesen Start wohl schon hunderte mal praktziert und war der Schnellste. Er fuhr schon los als einige noch zu ihrem Wagen sprinteten.
Puh, so viel habe ich noch nie geschrieben und das bei dieser gnadenlosen Hitze.
Ein paar Bilder
Invicta S-Type
Bild1
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Gruß Rudi