Die 300-km/h-Elite:
Auf die Schnelle
Gipfeltreffen auf dem Highspeed-Kurs im italienischen Nardo. Sechs Sportwagen der höchsten Leistungsklasse treten an, vom kompromisslosen Mittelmotor-Renner bis zum komfortablen Gran Tourismo.
Der Ferrari Enzo Ferrari ist ein Rennwagen – mit Carbon-Aufbau, mit Formel-ähnlichen Radaufhängungen, mit aus dem Rennsport entliehenen Aerodynamik-Finessen. Race Tech ohne Kompromisse, wenn man von der Klima-Automatik einmal absieht.
Zum Showdown der Supercars kommt der Enzo nach Nardo, ganz unten am Absatz des italienischen Stiefels. Dort unterhält die Firma Prototipo eine riesige Kreisbahn, auf der höchste Tempi gefahren werden können. 12,6 Kilometer lang ist eine Runde auf der überhöhten Piste. Bis 240 km/h treten keine Seitenkräfte auf – darüber muss der Fahrer die Richtung vorgeben.
Ferrari Enzo Ferrari: 355 km/h
Der Enzo faucht los, kurzzeitig um Traktion kämpfend. Der sechs Liter große V12 dreht hoch wie von der Tarantel gestochen. Danach geht es Schlag auf Schlag. Leuchtdioden im Lenkrad mahnen zum Hochschalten. Das sequenzielle Getriebe knallt den nächsten Gang hinein. Zwei, drei, vier, fünf.
250 km/h sind für den Enzo so etwas wie Vnull. Selbst ab diesem Tempo herrscht noch mächtig Druck im verlängerten Rücken. Sechster Gang. Schon nach 1476 Metern und 26,1 Sekunden sind 300 km/h erreicht. Erst bei 355 km/h siegen die Fahrwiderstände.
355 km/h. Und keine feuchten Hände. Der Enzo zeigt eine unerschütterliche Stabilität. Noch nicht einmal das erwartete brüllende Ungeheuer tritt zutage. Trotzdem: So dicht am Rennwagen ist kein anderer.
Porsche Carrera GT: 334 km/h
Auch nicht der Porsche Carrera GT. Ein Auto mit zwei Gesichtern. Höchste Kompetenz auf der Piste, aber ebenso geeignet für den genüsslichen Sonntagsausflug mit geöffnetem Dach. Einzig die schwer dosierbare und viel Kraft erfordernde Keramik-Kupplung ist eine Plage.
Der Motor zaubert Formel 1-Atmosphäre herbei. Sein Klang steigert sich bis zum kreischenden Fortissimo. Beim Gasgeben beißt der Zehnzylinder zu wie eine schlecht gelaunte Klapperschlange.
48 PS weniger als beim Enzo Ferrari lauern im Heck. Die Höchstgeschwindigkeit des ganz auf Aerodynamik gezüchteten Enzo erreicht der Porsche nicht. Bei 334 km/h ist Schluss. Der Carrera GT schießt mit beruhigender Stabilität über die Bahn. Nur die Bodenwellen knallt er seiner Besatzung ins Kreuz. Die messerscharf reagierende Lenkung wird am besten mit leichter Hand geführt.
Was dieses Auto wirklich kann, zeigt sich nicht auf der Highspeed-Strecke. Die Ergänzung des Testprogramms – schnelle Runden auf dem winkligen Kurs des Autodromo del Levante bei Bari – sieht den Porsche als eindeutigen Sieger.
Auf der nur 1,6 Kilometer langen Strecke nimmt der Carrera GT dem Enzo 1,12 Sekunden ab. Wobei gerechterweise hinzugefügt werden muss, dass die Aerodynamik des Ferrari in den vielen engen Kurven nicht zum Tragen kommt.
Mercedes SLR McLaren: 334 km/h
Auch der Mercedes gehört zur Carbonara-Fraktion mit den überirdischen Preisen. Sein Aufbau besteht aus Kohlefaser-Werkstoff. Aber die Konzeption lässt eine völlig andere Philosophie erkennen.
Front- statt Mittelmotor. Keine hoch drehende Rennmaschine, sondern ein Ballermann von einem Kompressor-V8. Kein sequenzielles Schaltgetriebe, sondern eine Fünfgang-Automatik. Luxus-Ausstattung, ESP, volles Airbag-Sortiment. Auf der Landstraße spürbar komfortabler als der Porsche.
Im Drehmoment schlägt er sie alle. Wenn der Fahrer die Traktionskontrolle ausschaltet, ist der SLR der Meister kunstvoller Radierungen. Mit sattem V8-Bollern zieht er davon. Der SLR singt nicht wie die Vielzylinder. Er hämmert das Lied der brutalen Gewalt. Garniert mit blauen Flammen aus den seitlichen Auspuffrohren. Die Geschwindigkeits-Anzeige des GPS-Messgeräts bleibt bei 334 km/h stehen. Gleichstand mit dem Porsche.
Und doch, welch ein Unterschied. Keine Kupplungs- und Schaltakrobatik, nur Gas geben. Nicht die geringste Nervosität auf Bodenwellen.
Gaswegnehmen bei hohem Tempo nimmt dem SLR seine Gelassenheit. Dann wird das Heck nervös. Wenn der Heckflügel manuell in die 64-Grad-Position gebracht wird, die er bei automatischer Steuerung nur bei einer Vollbremsung einnimmt, herrscht Ruhe. Aber dann kann die Höchstgeschwindigkeit nicht erreicht werden.
Im Autodromo ist der Mercedes durch Größe und Gewicht gehandikapt. Er fährt sich problemloser als die Mittelmotor-Renner, mit breiterem Grenzbereich. Aber so flink ist er nicht. Auf den Porsche verliert er 3,59 Sekunden.
Lamborghini Murciélago: 330 km/h
Auch der Lamborghini Murciélago umrundet den Kurs schneller als der SLR, mit einem dank Allradantrieb bemerkenswert gutmütigen Fahrverhalten. In Nardo zeigt er, dass mit ihm noch zu rechnen ist: 330 km/h.
Im Vergleich zu den jüngeren Konkurrenten ist der Lambo aber eine zickige Diva. Und kein anderer macht ein derartiges Motoren-Spektakel. Der mächtige Zwölfzylinder des Lamborghini brüllt wie ein angeschossener Büffel. Bei 300 km/h summieren sich Ansaugen und Auspuffen zu einem 93-Phon-Gewitter.
Aston Martin DB9: 309 km/h
Von nun an wird es gemütlicher. Die britischen Gentlemen-Racer treten an. Zunächst der brandneue Aston Martin DB9, der überzeugend die Rolle des klassischen GT spielt. Kultiviert, komfortabel, distinguiert im Auftritt. Bei einer Fahrt durchs italienische Hinterland schmeichelt er seinem Fahrer mit gutem Handling und ausgewogener Federung. Verdammt schnell ist er auch. 309 km/h, ohne Krawall, nonchalant auf den Wellen bei Kilometer acht. Der DB9 ist so wenig aus der Ruhe zu bringen wie ein Mitglied des britischen Hochadels.
Bentley Continental GT: 323 km/h
Oder der Bentley Continental GT. Er fährt nicht los, er legt ab. Und wie. Sanft, aber gewaltig. Nach gut einer Minute knackt er die 300-km/h-Mauer. Das Motorgeräusch tritt in den Hintergrund, der Fahrtwind umrauscht die stolze Karosse. 323 km/h schafft der Bentley. Vor wenigen Jahren brauchte man dazu einen Ferrari F 40.
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