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Alt 22.06.2003, 07:34
Niels Niels ist offline
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Niels
Beitrag Italien auf Rädern

Italien auf Rädern (Eine Frau berichtet...)

Von außen betrachtet, ist er ein fahrendes Eros-Center. Von innen betrachtet, wird alles Schwere leicht: Im Porsche Carrera 4 gibt es kein Problem, das ein Knopfdruck nicht lösen könnte



So eine Farbe habe ich zuletzt auf meinen Fingernägeln gesehen. Das ist sehr lange her. Damals muss die Tapete im Kinderzimmer, auf der alle paar Zentimeter ein Kerl im roten Cabrio ein Mädel mit Pferdeschwanz spazieren fuhr, gerade erst übermalt worden sein. Ein Kindertraum in Knallrot wartet am Sonntag in der Tiefgarage der ZEIT. 320 PS, Dachöffnung auf Knopfdruck, Reifen wie Pferde******, Auspuffrohre wie Schornsteine und in nur 5,2 Sekunden von nun auf 100. Wo, mein Süßer, darf es hingehen?

Mein auffälliger Begleiter weiß alles. Das Navigationssystem würde mich vermutlich in fünf und ein paar Sekunden in die Duisburger Innenstadt beamen. Doch was soll so eine Sexmaschine in Duisburg? Nein, solche Autos können nur dazu gemacht sein, um mit ihnen mal eben in Italien Eis essen zu gehen. Zu welchem anderen Zweck sollten sie auf der Welt sein? Einkaufen fahren? Mal kurz am Jungfernstieg auf dem Bürgersteig parken, zum Frisör, ein bisschen shoppen und dann? Der Kofferraum hat seinen Namen nicht verdient, sprechen wir von der Handtaschenablage, also die Handtaschenablage wird die Einkäufe einer Dame am Jungfernstieg nicht schlucken. Eine Reise? Nur mit Rei in der Tube zum abendlichen Sockenwaschen. Eine amouröse Spritztour? Doch wo das Bübchen mit Pferdeschwanz hernehmen? Man sieht, selbst wer die 160 000 Mark für so ein Geschoss übrig hat, ist nicht alle Sorgen los.

Beziehung zwischen Dame und Knecht
Dabei hat man in Zuffenhausen alles getan, um ein Auto zu bauen, das alles Schwere leicht werden lässt. Die einzige Hürde, sieht man über die pekuniäre einmal hinweg, die man noch nehmen muss, ist das Ein- und Aussteigen. Hinunter kommt man noch mit einem entschlossenen kleinen Plumpser, aber wie kommen die Dame und ihr Rock von tief unten unbeschadet wieder rauf und raus? Die Antwort ist: ohne Türwart überhaupt nicht. Aber wahrscheinlich gibt es nicht so viele weibliche Dinks, kinderverschonte Doppelt- und Dreifachverdienerinnen in sehr gehobener Stellung, die mit diesem Problem bei Porsches in Zuffenhausen vorstellig werden könnten.

Ist die Testfahrerin in den Ledersitzschalen jedoch sicher gelandet, die Tür zu, die Welt draußen und die Frau allein mit sich und ihrem starken Gefährten, möchte sie aus diesem Traum von keinem Türwart mehr geweckt werden. Wie ein satter Säugling brummt das Gefährt und rollt im Trab in den Nieselregen hinaus zum Start. Das leise Seufzen der Familienväter, die mit Muttern am Sonntag an den Kaufhausvitrinen entlangstreichen, ist auch bei geschlossenem Dach noch zu hören. Der pikierte Muss-das-denn-sein-Blick der Frauen bohrt sich strafend durch die getönten Scheiben. Und sie haben ja Recht: Diese 320 Pferdestärken, diese 16 Liter im Stadtverkehr, diese plumpen aufgerissenen Mickymaus-Augen, diese dicken Hinterbacken, diese aufgeblasenen Vorderflanken, diese mit doppelter Naht genähten Ledersitze, diese ergonomischen Fensterheber, diese zarten Falten im Hodensack des Schaltknüppels, dieses ganze erotisch-egomane Einzelfahrerauto, in dem sich kein Kindersitz, kein Hundeabsperrgitter anbringen lässt, zum Preis einer halben Doppelhaushälfte in, sagen wir, Braunschweig - das muss wirklich nicht sein.

Und trotzdem haben sie auch Unrecht: Denn was von außen wie ein fahrendes Eros-Center aussehen mag, ist von innen ein hoch sensibles Automobil, das man nicht einfach fährt, sondern mit dem man zum Zweck der Fortbewegung, zugegeben, verkehrt. Nicht von du zu du, aber doch wie Dame und Knecht. Und dieser Knecht tut wirklich alles, was die Dame von ihm verlangt. Mit 40 durch die Hamburger Innenstadt zu traben ist ihm ein Vergnügen, das er mit brummendem Wohlbehagen begleitet, als ginge es langsam auf die Startbahn. Ein Wink mit der Fußspitze, und er rennt

los, als hätte er nur darauf gewartet. Das geht so schnell, so weich, so widerstandslos, dass man die schwere Maschine darüber vergisst und das Beschleunigen und Ausrollen mit dem eigenen Ein- und Ausatmen verwechseln könnte. In die Kurven taucht er ein wie in Wellen und sanft wieder daraus empor. Das Anfahren ist ein Losschweben, und von den kruden Kräften, die unter der Motorhaube walten, bleibt nichts außer einem zarten Geruch nach Angebranntem in der Luft nach der Landung. Die sechs Gänge schalten sich im Schlaf, wie das Porsche-Fahren überhaupt mehr mit Schlafwandeln als mit Autofahren zu tun hat. Ganz so als habe eine geheimnisvolle, aber ganz profan am Stuttgarter Porscheplatz angesiedelte Unio mystica aus Geist und Geld die Erdenschwere zumindest für die Einsamen und Besserverdienenden besiegt.

Unsere Ausfahrt führt in den Norden, bella Italia muss warten. Denn dieses bello Auto ist im Grunde Italien auf Rädern, dem selbst Norwegen im Spätherbst nichts anhaben kann. Auf der Autobahn nach Dänemark müssen er und ich uns in Geduld fassen. 280 km/h lassen sich zwischen tausend Sonntagsfahrern nicht fahren. Doch mit dem Porsche rechts bei 140 dahinzuschweben ist wie den Pelz innen tragen. Ohnehin darf ein Porsche Lechts und Rinks ohne weiteres verwechseln, niemand wagt es, sich hinter uns irgendwie flegelhaft aufzuführen. Wenn ein Porsche auf der Überholspur dahinkriecht, muss dies einen Grund haben, den ein Opel nicht zu bezweifeln wagt.

Verwechslung zwischen Mensch und Maschine

Das Rasen, zu dem der Porsche wohl eigentlich berufen ist, ist, verglichen mit seinen sonstigen Talenten, dann eher eine Enttäuschung. Natürlich flattert einem bei 250 das Verdeck nicht um die Ohren, klappert nichts, zischt der Wind nur schärfer um die spitze Schnauze. Aber erstens fühlt man sich im Porsche grundsätzlich wie die Prinzessin auf der Erbse, die jede Fahrrille unterm Hintern spürt. Und zweitens heißt, mit so einem Künstler einfach nur über den Asphalt zu brettern und das ordinäre Autovolk im Rückspiegel untergehen zu sehen, mit einem Symphonieorchester Musikantenstadl zu spielen.

Apropos Musik. Auf die Idee, dass die CDs bei geöffneter Vorderhaube in der Handtaschenablage einzulegen sind, muss man erst mal kommen. Hat man diesen gut verborgenen Schlitz aber entdeckt, verwandelt sich das kleine Auto in ein rasendes Automobilhausorchester. Die Gleichung aus Bose-Sound-System, elf Hochleistungslautsprechern mal Geschwindigkeit ergibt Unbeschreibliches. Endlich kommt eine Ahnung auf, wozu ein Mensch sich eigentlich frühmorgens in einen Anzug zwängt und den lieben langen Tag in eine Vorstandsetage sperren lässt. In seiner sanft dahinsegelnden Arche porscha, in der es nichts gibt, das ein Knopfdruck nicht regeln könnte, glaubt er sich abends auf der Landstraße für jede Lebensverschwendung entschädigt und ohnehin unsterblich oder zumindest gut ausgerüstet für die nächsten 100 000 Jahre.

Obwohl der Porsche ein Auto für Leute ist, die lieber mit ihrem Tennisschläger als mit ihrer Familie spazieren fahren, fühlt man sich in diesem Auto nicht einsam. Dazu liegt es viel zu eng am Körper an, ganz so, als sei das Gefährt nichts als ein kostbarer, effektiverer Wurmfortsatz der eigenen schwachen Tentakel. Der Porsche-Rausch entsteht recht eigentlich aus dieser Verwechslung zwischen Mensch und Maschine. Der Eindruck, man selbst schlittere derartig mühelos durch die Welt, man selbst würde in die Kurven ein- und wieder auftauchen, man selbst wäre es, der alle Deppen mit einem Fußschnippen von der Piste jagt, dieser Eindruck ist mehr als ein teuer erkauftes Lebensgefühl. Er ist falsch. Aber das ist ein ganz anderes Thema. Das gehört nun wirklich nicht hierher.


Gruß Niels
pc-rm.de

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